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Wege aus der Depression (Teil 2)

äStimmungskalender führen

Depressive Menschen neigen dazu alles schwarz zu sehen (sie verallgemeinern zu ihrem eigenen Nachteil). Selbst wenn einige Dinge im Tagesablauf klappen und für andere Personen eine Tendenz zur Besserung sichtbar wird, erlebt der Depressive weiterhin „alles als schrecklich und hoffnungslos“. In dieser Situation helfen Sie sich, wenn Sie Ihr Befinden täglich mehrfach bewerten und das Ergebnis notieren. Mit Hilfe eines solchen Stimmungskalenders halten Sie sich einen Spiegel vor Augen. Er wirkt der Gefahr entgegen, daß Sie im Rückblick alles verzerrt wahrnehmen. Gleichzeitig erleichtern Sie es Ihrem Arzt, den Behandlungseffekt zu überprüfen.

 

Depressive Veranlagung akzeptieren

„Bekämpfen“ Sie Ihre Depressivität (und damit einen Teil Ihrer Person) nicht. Depressive Menschen richten meist schon viel zu viel Aggression gegen sich selbst. Aus solchen Schlachten geht das „Bekämpfte“ zudem oft auch noch gekräftigt hervor. Immerhin erkranken 10 bis 15 Prozent aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression. Offensichtlich gehört die entsprechende Veranlagung also zum Menschsein. Manchmal ist die Umwelt völlig überrascht, wenn jemand an einer Depression erkrankt, weil man den Betreffenden so noch nie erlebt hat. In anderen Fällen verstärkt die Depression dagegen bereits vorhandene Persönlichkeitszüge und bestätigt so der Umwelt, was diese schon immer über die Betreffenden dachte. Vor allem für die zuletzt genannten Personen ist es hilfreich, ihre depressiven Charakterzüge wahrzunehmen und zu akzeptieren, zumal „Depressivität“ durchaus mit vorteilhaften Eigenschaften gekoppelt sein kann. Wenn solche Menschen „ganz gesunden“ wollen, verfolgen sie vermutlich ein unrealistisches Ziel.

 

Eigene Fähigkeiten wertschätzen und zeigen

Stehen Sie zu Ihrer „Depressivität“ und verdeutlichen Sie anderen den sozialen Nutzen Ihres Verhaltens. Denn depressiv veranlagte Menschen sind oft sehr beharrlich und zuverlässig. Sie sind sehr leistungsbezogen, orientieren sich an sozialen Idealen und wirken sehr bescheiden, da sie selten offen aggressiv fordern. Sie sind sehr sensibel, warmherzig und zu tiefem Erleben fähig. Als Partner sind sie anhänglich und an Nähe interessiert. Sie überstürzen nichts, sondern überlegen vieles aus Vorsicht lieber mehrfach und detailliert. Sie sind sehr selbstkritisch und stehen zu eigener „Schuld“. Sie sind die klassischen Helfer, die nicht zögern, für andere Verantwortung zu übernehmen und sich dafür notfalls aufzuopfern. In ihren Familien und auf ihren Arbeitsstellen werden sie deshalb oft sehr geschätzt. Soweit Sie sich in dieser Beschreibung wiedererkennen, entsprechen Sie wichtigen Idealen unserer heutigen Kultur und Gesellschaft.

 

Die Wirkung auf andere erkennen

Durch anhaltendes Klagen (aus der Sicht der anderen: „ewiges Jammern“ oder „An-Klagen“) drücken depressive Menschen ihre Aggressivität aus. Diese ist zwar gegen die Kranken selbst gerichtet, kann aber bei anderen Ungeduld und Ablehnung (Gegenaggression) hervorrufen. Die dauernden Selbstanklagen, ein gekränkt-trotziges Verhalten, der Appell zu helfen und die gleichzeitigen Mißerfolge des Helfers machen den Helfer irgend wann wütend und enttäuscht (Dieser spürt durchaus die Heftigkeit seiner Gefühle, während der Depressive oft gar nichts mehr spürt). Die oft wiederholte Feststellung „Mir hilft nichts“ versteht der Helfer dann als „Auch Du kannst mir nicht helfen“. Damit stellen Depressionen die  Frustrationstoleranz von Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Ärzten und anderen Helfern oft erheblich auf die Probe. Vielfach müssen sie den Ärger aushalten, den der Depressive eigentlich gegenüber anderen wichtigen Bezugspersonen hegt. Nicht selten werden auch Personen der Umwelt regelrecht „angesteckt“, so daß sich diese ebenfalls vorübergehend gefühlsleer, wert-, interesse- und willenslos fühlen. Wenn depressive Menschen sich anklammern, nehmen sie anderen oft die „Luft“ (Zwangsjackeneffekt). Um nicht zu ersticken, gehen diese dann auf Abstand und verstärken damit die Angst des Depressiven vor Ablehnung und Alleinsein. Versetzen Sie sich also im eigenen Interesse immer wieder einmal in die Person Ihrer Helfer, auch wenn Ihnen dies sehr schwer fällt.

 

Aktiv werden statt abwarten

Wissenschaftlich steht außer Zweifel, daß Stimmung und Verhalten sich gegenseitig beeinflussen. Sie merken es ja selbst: Aufgrund Ihrer Depression haben Sie zu nichts Lust und würden sich am liebsten irgendwo verkriechen und dort verharren. Vielleicht hoffen Sie, daß Sie wieder zupacken werden, sobald Sie sich besser fühlen. Empfehlenswerter ist das umgekehrte Vorgehen: Unternehmen Sie überhaupt etwas und lassen Sie sich davon überraschen, daß es dadurch wieder bergauf geht. Verlassen Sie also Ihr Bett und erheben Sie sich aus dem Sessel. Denn ähnlich wie Feuer und Wasser sind gesunde Aktivität und Depression kaum miteinander vereinbar. Wer sich ausreichend lange und intensiv aktiviert, schwächt damit die Depression. Führen Sie daher in Ergänzung zu Ihrem Stimmungs- auch einen Aktivitätenkalender. Wenn alles klappt, wird mit wachsender Aktivität auch Ihre Stimmung steigen. Beispiele für Aktivitäten sind: Spazierengehen, Fahrradfahren, Wohnung aufräumen, im Garten arbeiten, Lesen, Freunde anrufen, sich schön anziehen und schminken usw. Stellen Sie sich eine möglichst umfangreiche Liste von gut zu bewältigenden Aktivitäten zusammen, die für Sie persönlich angenehm sind und von der Sie sich täglich anregen lassen.

 

Sich bewegen statt erstarren

Nutzen Sie die antidepressive Wirkung von sportlicher Bewegung. Offensichtlich setzt Sport im Körper Botenstoffe frei, die entspannen und die Stimmung verbessern. Besonders bewährt haben sich Ausdauersportarten wie Walking (schnelles Gehen), Jogging, Radfahren, Schwimmen usw. Radfahren hat den Vorteil, daß Sie sich durch Ausflüge neue Räume erschließen und so möglicherweise ein Gefühl von Freiheit erschließen. Ihr Hausarzt wird Sie gerne beraten. Sport eignet sich auch dazu, Ärger und Wut auf gesunde Art und Weise abzubauen.

 

Verantwortung für sich selbst übernehmen

Depressive Menschen sind oft Meister darin, anderen zu helfen und sich selbst zurückzustellen. Dabei haben sie den Anspruch, „es allen recht machen zu müssen“. Umgekehrt bzw. unbewußt erwarten sie oft das Gleiche, nämlich daß andere sich voll für sie einsetzen. Zum Leidwesen vieler Depressiver geht diese Rechnung nicht immer auf. Auch auf ihren Arzt übertragen depressive Menschen gerne die gesamte Verantwortung für ihre Heilung („Sie sind doch der Arzt“). Als autoritätsgläubige Menschen verführen sie den Arzt zu der Annahme, diesen Patienten auf jeden Fall „retten“ zu können. Dementsprechend sind um so enttäuschter, wenn auch der Arzt „versagt“. Vermeiden Sie die drohende Enttäuschungs-Falle. Bauen Sie nicht ausschließlich auf fremde Hilfe, sondern tragen Sie zu Ihrer Genesung aktiv bei. Übernehmen Sie Mitverantwortung für den Heilungsprozeß. Sie hören dann auf abzuwarten und werden sich weniger „ausgeliefert“ fühlen.

 

Vernünftig und präzise denken

Manche Therapeuten gehen davon aus, daß Depressionen in besonderem Maß eine Erkrankung des „Denkens“ sind. Denn depressive Menschen neigen dazu, alles schwarz zu sehen (besonders sich selbst, die Zukunft und die eigenen Erfahrungen). Sie verallgemeinern im Übermaß („Keiner liebt mich“, „Nichts kann ich mehr“ „Alles war umsonst“). Nach dem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ erwarten sie oft, wieder „ganz zu gesunden“. Zugleich übersehen die Betroffenen, daß sie durchaus einiges schaffen, etwa sich anzuziehen, ein Frühstück zuzubereiten und die Wohnung abzuschließen. Aber all dies gilt nichts oder wird ausgeblendet. Depressive Menschen denken sehr schematisch, haben aufdringliche „automatische Gedanken“, an denen sie grüblerisch haften, und leiden unter der Vorstellung, Ereignisse und Situationen durch eigenes Verhalten nicht beeinflussen zu können. Mißfolge werden der eigenen Person, Erfolge dem Zufall („Alles nur Glück“) oder anderen äußerlichen Faktoren zugeordnet. Vor allem für depressive Menschen hat es sich deshalb bewährt, konsequent zu üben, wie man Sachverhalte präzise beschreibt, sinnvoll nach Ursachen forscht, Zusammenhänge herstellt und damit wirklichkeitsnah denkt. Ein entsprechendes Training bietet die kognitive Verhaltenstherapie an.