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„Cool und clever“ Angst abwehren

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Schweiz. Schon immer haben Menschen Rituale entwickelt, um unangenehme Gefühle kontrollieren zu können. Zwar haben die traditionellen Riten in westlichen Ländern mittlerweile an Bedeutung verloren; dafür sind maskierte Ersatzrituale an ihre Stelle getreten. Nach Meinung von C. Buddeberg handelt es sich um

·      Coolness (die Souveranität über Gefühle)

·      Cleverness (der Sieg über die Vergänglichkeit)

·      Happiness (der Sieg über die Einsamkeit).

Das genannte Trio soll vor allem existentielle Ängste abwehren, also

·      die Angst vor Selbstwerdung (sich Abgrenzen gegenüber nahen Bezugspersonen, das oft Ängste vor Verlassenheit, Trennung und Isolation begleiten)

·      die Angst vor Selbsthingabe (Kontrolle abzugeben, sich anderen anzuvertrauen)

·      die Angst vor Wandlung (bzw. vor Neuem und Unbekanntem)

·      die Angst vor Endgültigkeit (insbesondere vor endgültigen Entscheidungen - wie Berufs- und Partnerwahl - und dem Verzicht auf alternative Möglichkeiten).

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre haben viele Menschen aus ihren Träumen von unbegrenzten Möglichkeiten gerissen und ihnen verdeutlicht, wie begrenzt ihre Wahl- und Entscheidungsfreiheiten oft sind. Dadurch aufkeimende existentielle Ängste sind im öffentlichen Leben eher verpönt, da hier der „Kämpfer“ gefragt ist, der „Angsthase“ belächelt wird und unangenehme Gefühle letztlich nur unter Deckmänteln gezeigt werden können.

   Deren gängige Modelle charakterisiert der Schweizer Psychiater auf folgende Weise: Coolness verhüllt und verdichtet Gefühle, Cleverness verleugnet Kränkungen, die mit Vergänglichkeit einhergehen („läßt im Tod noch das Gesicht wahren“). Happiness lädt ein zum einsamen Bad in der Masse bzw. zur Inszenierung bezogener Beziehungslosigkeit. Nach Ansicht Buddenbergs schüren auch die Veränderungen im Gesundheitswesen existentielle Ängste. Und selbst unter Ärzten soll es ja Coolness, Cleverness und Happiness g<eben.

C. Buddeberg: Cool, clever, aufgestellt - Variationen zur Angstabwehr in der heutigen Gesellschaft. Praxis 1998 (87) 727-737