Ab 99/4
„Aggressivität“ angemessen tolerieren
Behalten Sie die Ruhe,
wenn der Kranke aggressiv wird. Aggression gehört zum Menschsein und ist
ein Ausdruck von Lebenswillen. Vermeiden Sie Diskussionen und
Vorhaltungen. Signalisieren Sie Verständnis. Reden Sie in solchen
Situationen weniger und hören Sie mehr zu. Verzögern Sie bei Bedarf den
Redefluß, indem Sie zum Beispiel fragen: “Augenblick mal, ich kann Dir
nicht folgen. Was ist denn genau passiert?” Lassen Sie den Kranken nach
Möglichkeit laufen und sich bewegen, damit er seine Spannungen
abreagieren kann.
Körperlich kommunizieren und taktvoll berühren
Auf Berührungen und
Begreifen reagieren demente Personen ähnlich sensibel wie blinde
Menschen. Wie sehr Berührung Sicherheit vermittelt, weiß jeder, der sich
im Dunkeln setzen will und vorher mit der Hand die Sitzfläche ertastet
hat. In der körperlichen Interaktion erlebt der Demenz-Kranke außerdem,
dass er bei anderen Reaktionen auslösen kann. Diese „Wirkungen“
vermitteln ihm ein beruhigendes Gefühl von „Wirklichkeit“ und
Eingebundensein in dieser Welt. Aber nicht jeder will immer und überall
angefaßt werden. Auch für Demente gibt es individuell sich
unterscheidende offizielle und inoffizielle Körperzonen. Wer Demente berührt,
sollte den Körperkontakt mit einem klaren Anfang und Ende versehen.
Ansonsten bleibt die Handlung uneindeutig und macht sie eher nervös. Berührungen
mit der Handfläche signalisieren „Ich will was von Dir“, Berührungen
mit der Handrückseite „Ich bin hier. Wo bist Du? Ich möchte
Kontakt.“
Mit Gesten sprechen
Gesten nutzen die
Erfahrungen, die viele demente Menschen in ihrer Kindheit mit Stummfilmen
gemacht haben. Außerdem laden sie zur Nachahmung ein bzw. fördern den
Wunsch mitzumachen.
Tastsinn unterstützen
Vieles spricht dafür,
dass Bewegungs- und Tastsinn zu Beginn unseres Lebens Leitfunktionen
haben. Da die Demenz zuerst später im Leben erworbene Fähigkeiten
beeinträchtigt, bleiben Fühlen und Bewegen lange Zeit erhalten.
Irgendwann werden sie zum einzig „Wirklichen“, auf das sich der
Demente noch verlassen kann. So haut der Kranke auf die Armlehnen des
Rollstuhls, weil sie die Bewegung abbremsen und damit Hand und Stuhl für
ihn fühl- und damit erlebbar machen. Auch die beim Ein- und Ausatmen
entstehenden Vibrationen ermöglichen es dementen Menschen, sich selbst zu
spüren. Am längsten erhalten bleibt offenbar das Vermögen, Bewegungen
wahrzunehmen. Dies macht verständlich, warum manche Demenz-Betroffene Äpfel
solange schälen, bis sie nicht mehr vorhanden sind.
Harndrang erkennen
Führen Sie über die
Ausscheidungen des Kranken vorübergehend Buch. Mitunter lassen sich so
“Regelmäßigkeiten” erkennen. Näßt der Kranke beispielsweise immer
eine halbe Stunde nach Einnahme eines Getränks ein, können Sie ein
solches “Malheur” verhindern, indem Sie ihn kurz zuvor zur Toilette führen.
Achten Sie auf Signale des Kranken, mit denen er sein Bedürfnis ankündigt
(z.B. Unruhe, Nesteln an der Kleidung, bestimmte Redewendungen). Verbinden
Sie Toilettengänge möglichst mit gleich bleibenden Ereignissen (zum
Beispiel den Mahlzeiten). Denn Routinen erleichtern den Vorgang für den
Kranken und ersparen ihm so unnötige Irritationen.
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