von
Dr. Erich Brunn, Pharmacia & Upjohn GmbH, Erlangen
Manche Trends sind unumkehrbar.
Zu ihnen gehört die „Vernetzung“, die sich nach wie vor in der
rasanten Entwicklung des Internet am eindrucksvollsten widerspiegelt.
„Vernetzung“ prägt heute immer mehr Entwicklungen. Vielleicht ist sie
deshalb so mächtig, weil sie „Synergien" freisetzt und zur
Formulierung umfassender Konzepte motiviert.
Vor diesem Hintergrund
fasziniert es zu beobachten, wie sich Natur- und Geisteswissenschaften
nach langer Trennung wieder annähern. Erste Modelle, in denen sich
Vertreter unterschiedlicher Disziplinen gleichermaßen wiedererkennen,
erleichtern diesen Schritt. Auch für seelische Erkrankungen gibt es
bereits verbindende Konzepte. Zu ihnen gehört die Vorstellung von
„neuronalen Attraktoren als Grundlage psychischer Prozesse“. Nach
dieser Theorie liegen jeglichem Erleben und Verhalten neuronale
Erregungsbereitschaften zu Grunde. Sie sind das Ergebnis vorangegangener
„Bahnungen“, bei denen ähnliche und zugleich häufige Ereignisse
bestimmte Neuronen angeregt haben, sich funktionell zu verbinden.
Geeignete Auslöser (Muster) aktivieren später den jeweils passenden
Neuronenverband. Da es sich um funktionelle Zusammenschlüsse von Neuronen
handelt, können sich diese unter geeigneten Einflüssen lebenslang
umorganisieren („Neuroplastizität“).
Das hier nur grob skizzierte
Modell verbindet pharmakologische und psychologische Konzepte. So kann man
sich vorstellen, dass Stoffe wie die Neuromodulatoren Dopamin und
Noradrenalin vor allem „Erregungsbereitschaften“ beeinflussen, während
psychotherapeutische Methoden speziell „bahnend“ bzw. „Muster
modifizierend“ wirken. Zugleich wird nachvollziehbar, warum bei
psychisch Kranken oft die Kombination beider Ansätze besonders
erfolgreich ist.
Welche Perspektiven eine
differenzierte Handhabung beider Strategien eröffnet, deutet eine Studie
von O´Carroll und Kollegen an. In ihr erhielten Probanden randomisiert
entweder (a) Placebo, (b) ein noradrenerg oder (c) ein antinoradrenerg
wirkendes Arzneimittel. Anschließend zeigte man den Teilnehmern eine
emotional bewegende Serie von Diapositiven. Als man sie eine Woche später
nach Einzelheiten der Vorführung befragte, erinnerten sich die
noradrenerg stimulierten Personen besser als die Anwender von Placebo und
diese wiederum vermehrt als die antinoradrenerg beeinflussten. Offenbar förderten
die Arzneimittel unterschiedliche Befindlichkeiten und damit jeweils
andere „Merkbereitschaften“ für das anschließend dargebotene
Material.
Die hier skizzierten Ansätze
ermuntern jedenfalls dazu, natur- und geisteswissenschaftliche
Behandlungsansätze zu verbinden. Das daraus erwachsende Potenzial gilt es
dann zu erforschen und differenziert einzusetzen.
Literatur: K. Grawe: Gründe
und Vorschläge für eine Allgemeine Psychotherapie 1999 (44) 350-359; R.
E. O´Carroll u.a.: Stimulation of the noradrenergic system enhances and
blockade reduces memory for emotional material in man. Psychological
Medicine 1999 (29) 1083-1088; M. Spitzer: Geist im Netz. Spektrum
Akademischer Verlag 1996
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