von
Prof. Dr. Heiner Ellgring, Universität Würzburg
Erfreulicherweise wissen wir heute schon relativ viel über die
körperlichen Veränderungen bei einem Parkinson-Leiden. Außerdem
verfügen wir über wirksame Medikamente, um die neurologischen Defizite
über lange Zeit zu kompensieren. Dies verleitet jedoch dazu, sich vor
allem mit den körperlichen Aspekten zu beschäftigen und die
psychologischen Seiten der Erkrankung zu vernachlässigen. Letztere tragen
jedoch wesentlich zum „Leiden“ bei. Sie sind keineswegs
ausschließlich Folge eines Dopamin-Mangels und lassen sich durch
geeignete Maßnahmen oft effizient beeinflussen.
Von psychologischen Hilfen profitieren vor allem Probleme folgender
Art:
·
Anpassung des Betroffenen an seine Erkrankung
·
Anpassung der Umwelt an den (verändert wirkenden) Kranken
·
Anpassung des Kranken an Umweltveränderungen, die wiederum Folge
seiner Erkrankung sind.
Konkret spielen
psychologische Faktoren beim Morbus Parkinson in folgender Hinsicht eine
wesentliche Rolle:
·
beim Verkraften körperlicher Symptome (Ungeschicklichkeit,
verminderte Gestik und Körpersprache)
·
beim Umgang mit der verringerten Leistungsfähigkeit
·
bei der Auseinandersetzung mit krankheitsbezogenen Ängsten (vor
Verschlimmerung und Hilflosigkeit)
·
bei der Interaktion mit anderen (Unsicherheit im Umgang,
Überlastungsgefühle in Anwesenheit vieler Menschen)
·
im familiären Leben (weniger gemeinsame Aktivitäten, Sorge um die
Belastung des Partners durch die Gesamtsituation).
Zu den häufigsten psychologischen „Gefahren“ der
Parkinson-Krankheit gehören Ängste und sozialer Rückzug, die ihrerseits
in eine Depression münden können. Parkinson-Betroffene ziehen sich oft
sozial zurück, weil sie nicht unangenehm auffallen wollen und Abwertungen
befürchten. Dies gilt selbst dann, wenn Medikamente ein weit gehend
normales Verhalten ermöglichen.
Natürlich gibt es auch zahlreiche psychologische Phänomene, die
überwiegend körperlich determiniert sind und die sich daher durch
psychologische Methoden weniger gut beeinflussen lassen. Zu ihnen
gehören:
·
der verminderte mimische und stimmliche Ausdruck
·
die Abnahme von Interesse und Antrieb
·
eingeschränkte Sinnesempfindungen (z.B. Riechen).
Der erhöhten
(körperlichen) Sensibilität für Erregung und Stress wiederum lässt
sich durch gezielte psychologische Massnahmen zur Stressbewältigung
positiv begegnen.
Das breite Spektrum psychologischer Aspekte bei Morbus Parkinson
verdeutlicht, dass Parkinson-Patienten weniger eine klassische
Psychotherapie benötigen. Sie profitieren mehr von psychologischen
Interventionen, die den o.g. Problemen gezielt Rechnung tragen und
beispielsweise folgende Ziele anstreben:
-
förderliche Gedanken zu entwickeln und dadurch auf hinderliche zu
verzichten („kognitive Therapie“)
-
Verhalten zu verbessern („Stress-Bewältigungstraining“: z.B.
Meistern schwieriger Alltagssituationen und Training sozialer Kompetenz,
etwa indem man über die Erkrankung offen redet)
-
sich körperlich-seelisch zu entspannen
-
die vorhandenen körperlichen und seelischen
Leistungsmöglichkeiten wahrzunehmen, zu schätzen und zu nutzen
-
die Angehörigen zu stützen (z.B. durch Information und
Anleitung).
Die Parkinson-Erkrankung belastet auch die Paarbeziehung der
Patienten. So verschärft sie mitunter Probleme, die sich in gesundem
Zustand noch gut kompensieren ließen. Durchweg macht sie Patienten immer
abhängiger vom gesunden Partner und sie erschwert dem Kranken, Gefühle
zu zeigen. Deshalb fragt sich, inwieweit Paartherapien Parkinson-Kranken
helfen können. Diese Frage bedarf noch eingehender Forschung. Zumindest
zeichnet sich jetzt ab, dass viele herkömmliche Methoden eher ungeeignet
sind (wie deutliches Konfrontieren, Aufdecken verborgener
Beziehungsmuster).
Fazit:
Das Parkinson-Leiden ist in hohem Maße sozial wirksam. Denn seine ins
Auge springenden Zeichen werden leicht fehl interpretiert und die
Behinderungen erfordern fremde Hilfe. Psychologische Unterstützung sollte
deshalb Patient und Umwelt helfen, wieder besser zusammen zu „passen“.
So lässt sich der Verlangsamung des Patienten Rechnung tragen, indem man
ihm Zeit gibt zu reagieren. Dies führt ihn und andere eher zusammen als
Formen der Entmündigung, bei denen man ihn übergeht oder ihm alles
abnimmt. Für die Bezugspersonen ist es sinnvoller, mit dem Kranken einen
für alle Beteiligten hilfreichen Umgang mit der Situation offen
auszuhandeln, statt sich von eigener Unsicherheit oder von Vorurteilen
leiten zu lassen (im Hinblick auf „Hilflosigkeit“,
„Schonungsbedürftigkeit“ oder „Desinteresse“ des Kranken).
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