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Wie verwandt sind Parkinson und Depression?

von Priv.-Doz. Dr. med. Matthias R. Lemke, Klinik für Psychiatrie/Psychotherapie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Rund 40 Prozent aller Patienten mit einem Morbus Parkinson entwickeln zusätzlich eine Depression. Dabei können depressive Symptome den neurologischen um Monate bis Jahre vorauseilen. Einzelne Behandlungsmethoden bessern beide Erkrankungen. Es fragt sich daher, wie sich Depression und Morbus Parkinson wechselseitig beeinflussen und/oder ob sie gemeinsame Ursachen haben.

Obwohl Depressionen bei Parkinson-Kranken häufig sind, finden sie wissenschaftlich relativ wenig Interesse und werden in der Praxis zu selten behandelt. Überholt ist die Vorstellung, dass Depressionen bloße Reaktionen auf die Schwere und den chronischen Verlauf des neurologischen Leidens sind. Dagegen spricht, dass sich bis heute kein Zusammenhang zwischen dem Erkrankungsstadium einerseits (z.B. in der Einteilung von Hoehn und Yahr) und der Häufigkeit und Schwere von Depressionen andererseits erkennen ließ. Vereinzelt nachweisbar waren jedoch Korrelationen zwischen motorischen Phänomenen (Bradykinesie, Rigidität, Haltungsinstabilität und Gangstörungen) und Depressionen. Letztere finden sich offenbar bevorzugt bei Parkinson-Kranken, deren motorische Symptome dopaminsensibel sind. Auch Gangbild-Studien an depressiven Patienten lassen interessante Parallelen zur Motorik von

Parkinson-Patienten erkennen: Der Einfluss von Schrittfrequenz und Schrittlänge auf die Gehgeschwindigkeit ist ähnlich gestört. Auf Dopamin als Bindeglied zwischen Parkinson und Depression weisen auch Fluktuationsphänomene hin. So sind Parkinson-Patienten in off-Phasen (also im Dopaminmangel) depressiver als in on-Phasen. Nicht zuletzt lassen auch vorläufige Ergebnisse der Tiefenhirnstimulation (im Nucleus subthalamicus) Gemeinsamkeiten vermuten: Entsprechende Stimulation bessert in der Regel nicht nur die Motorik, sondern auch die Stimmung der betreffenden Patienten.

      Depressionen Parkinson-Kranker haben ein typisches Profil. So sind Selbstvorwürfe, Schuld- und Versagensgefühle vergleichsweise selten. Bestrafungsgefühle finden sich so gut wie nie. Im Zentrum der „Parkinson-Depression“ stehen vor allem Traurigkeit, Pessimismus, Irritabilität, Suizidgedanken und Ängstlichkeit. Zu Suizidhandlungen selbst kommt es vergleichsweise selten und psychotische Symptome fehlen ganz, soweit sie nicht durch die Anti-Parkinson-Medikation bedingt sind. Das beschriebene Depressionsmuster findet man zur Hälfte in leichterer und zur Hälfte in schwererer Ausprägung.

       In therapeutischer Hinsicht mehren sich Hinweise darauf, dass dem noradrenergen System in der Behandlung depressiver Parkinson-Patienten eine Schlüsselrolle zukommen könnte. So konnten wir unserer Klinik bei mittlerweile 15 Parkinson-Kranken

beobachten, dass sich deren Depression mit dem selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Reboxetin (Edronax®) wirkungsvoll behandeln ließ. Schon der erste von uns beobachtete Fall (eine 68jährige Parkinson-Patientin) zeigte, dass andere Antidepressiva (in diesem Fall Amitriptylin und Fluoxetin) entweder nicht effektiv waren oder wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen abgesetzt werden mussten. Unter Fluoxetin hatte sich die neurologische Symptomatik sogar verschlechtert. Unsere Erstbeobachtung unterstreicht auch die Notwendigkeit, eine Reboxetin-Behandlung ausreichend lang beizubehalten. Während sich bei der erwähnten Patientin schon nach wenigen Wochen Stimmung, Selbstwahrnehmung und Appetit deutlich besserten, normalisierten sich ihre sozialen Funktionen und Alltagsaktivitäten erst im Verlauf von drei Monaten unter einer Erhaltungstherapie mit täglich 4 mg Reboxetin.

    Nach heutigem Wissen ist Reboxetin mit allen gängigen Anti-Parkinson-Medikamenten gut kompatibel. Noch offen ist die spannende Frage, ob eine adäquate Depressionsbehandlung vielleicht sogar den Verlauf des Morbus Parkinson positiv beeinflussen kann.

Nach dem Vortrag „Reboxetin – bei Morbus Parkinson“ auf dem Symposium „NoradrEnergie – Aktuelle Optionen in der Psychiatrie“, veranstaltet von Pharmacia & Upjohn am 27. Mai in Füssen; Literatur: Cummings, J. L.: Depression and Parkinson´s disease: a review. Am. J. Psychiatry 1992 (149) 443-454; Lemke, M. R.: Treatment of depression in Parkinson´s disease with reboxetine. J. Clin. Psychiatry (in press)