von Dr. med. Bertram von der Stein,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für
Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker, Geldern
USA. Seit rund 20 Jahren hat sich die
Vagus-Stimulation in der Behandlung therapieresistenter Anfallsleiden
bewährt. Erste Befunde bei Patienten mit anhaltenden Depressionen wecken
die Erwartung, dass sich das Verfahren auch zur Depressionsbehandlung
eignet.
Bei der Vagus-Stimulation wird
dem Patienten – ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher - ein
taschenuhrgroßer Stimulator direkt unter der Haut im linken Brustbereich
implantiert. Von diesem Gerät führen unter der Haut verlegte Elektroden
zum Nacken des Patienten, wo sie um den linken Vagusnerven gewickelt
werden. Über dessen zum Gehirn führende Bahnen gelangen die durch
elektrische Stimuli ausgelösten Reize unter anderem zum Nucleus
parabrachialis und zu dem an Noradrenalin reichen Locus coeruleus. Von
dort führen Verbindungen zu Hirnstrukturen, die man mit dem Erkennen von
Emotionen und der Stimmungsregulation verbindet. Der Locus coeruleus
scheint in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam zu sein, da seine
operative Entfernung (im Tierexperiment) die Wirkung der Vagus-Stimulation
unterbindet. Vermutlich spielen also noradrenerg vermittelte Prozesse im
Rahmen der Vagus-Stimulation eine wichtige Rolle (George u.a. 2000).
Wie eine Pilotstudie an 59 bislang
therapieresistenten Patienten mit Major Depression zeigt, sprachen je nach
Beurteilungsskala zwischen 30,5 (HRDS28) und 37, 3 Prozent (Clinical
Global Impression-Improvement) dieser chronisch Kranken bereits auf eine
sechs- bis achtwöchige Vagus-Stimulation an. Als „Besserung“ galt eine
wenigstens 50-prozentige Abnahme des Hamilton-Depressionsscores) (Sackeim
u.a. 2001). Wie eine Nachbeobachtung bei den 30 zuerst therapierten
Patienten zeigt, stieg der Responderanteil in dieser Teilgruppe nach
sechsmonatiger Behandlung noch weiter an (auf 57 Prozent). Ausgehend von
der Hypothese, dass die Vagus-Stimulation noradrenalinhaltige Neuronen im
Locus coeruleus moduliert, fragen sich die Autoren u.a., ob eine
Augmentation der Vagusstimulation mit Trizyklika oder Reboxetin sinnvoll
sein könnte.
Die an der größeren Patientenzahl
gewonnenen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass vor allem Patienten mit
einer „leicht bis mittelgradig resistenten“ Depression von der
Vagusstimulation profitieren. Bei wem schon sieben oder mehr klassische
Behandlungsversuche gescheitert sind, sollte auch von der Vagusstimulation
nicht zu viel erwarten. Besserungen traten unter Vagusstimulation
schrittweise ein und manifestierten sich meist erst nach sechs Wochen.
Die Vagusstimulation hat den
Vorteil, eine für Depressionstherapien sonst unvorstellbare Compliance von
100 Prozent zu gewährleisten. Auch ist sie nicht mit den typischen
Nebenwirkungen von Antidepressiva behaftet (wie sexuelle
Funktionsstörungen, trockener Mund, Harnverhalt, Gewichtszunahme usw.) .
Die mit ihr verbundenen unerwünschten Nebenwirkungen (Stimmveränderungen,
Husten, Luftnot, Wundschmerz, Kopf- und Nackenschmerzen) zeigen meist eine
erfreulich hohe Rückbildungsrate.
In der von Sackeim und Kollegen
mitgeteilten Studie wurden die meisten Patienten jeweils 30 Sekunden lang
mit einer Frequenz von 20 Hz einem 500 μs dauernden Impuls ausgesetzt.
Dann folgte eine fünfminütige Pause, bevor der nächste Stimulationszyklus
einsetzte. Die Vagusstimulation hat seit 2001 eine EG-Zulassung zur
Behandlung chronischer bzw. rezidivierender Depressionen und wurde
weltweit schon bei rund 15.000 Patienten erprobt. Der operative Eingriff
dauert nur eine Stunde und wird in manchen Zentren sogar ambulant
durchgeführt.
M. S. George u.a.:
Vagus nerve stimulation. A potential therapy for resistant depression? The
Psychiatric Clinics of North America 2000 (23) 757-783; H. A. Sackeim u.a.:
Vagus nerve stimulation (VNSTM) for treatment-resistant depression:
efficacy, side effects, and predictors of outcome. Neuropsychopharmacology
2001 (25) 713-728 |