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„Schuld“ als Depressionsauslöser

USA/Kanada. Frühere Depressionseinteilungen kannten eine „Schuld-Depression“. Dadurch räumten sie Schuldgefühlen eine bedeutsame Rolle bei der Depressionsentwicklung ein. Schuldgefühle gelten zwar weiterhin als typische Symptome einer Depression, diagnostisch und therapeutisch sind sie aber in den Hintergrund gerückt. Dass man damit ihre Bedeutung möglicherweise unterschätzt, verdeutlicht eine Studie von L. E. O´Connor und Mitarbeitern an 50 stationär wegen einer Depression behandelten Patienten und 52 Kontrollpersonen. In dieser Untersuchung wiesen Depressive signifikant mehr Zeichen von „Überlebensschuld“, „grenzenloser Verantwortlichkeit“ und „unterwerfendem Verhalten“ auf als Gesunde.

   Die Autoren weisen darauf hin, dass manche Depressive sich „als Gefahr für andere“ erleben, weil man ihnen „Schlechtheit“ und „Gefährlichkeit“ schon in der Kindheit vorgehalten hatte. Möglicherweise leiden Depressive auch an einem evolutionären Erbe: In der frühen Menschheitsgeschichte war es vermutlich existentiell notwendig, Gruppenmitglieder nicht zu übervorteilen, damit das soziale Gebilde als Ganzes überlebt. Schuldgefühle sollen möglicherweise letzteres gewährleisten, indem sie bei Tendenzen zu fremdschädigendem Verhalten hemmend wirken. Da die heutige Kultur stark individualistisch ausgerichtet ist und auf „Gleichheit“ wenig achtet, liefert sie mannigfaltige Anlässe, mit evolutionär verankerten Schuldgefühlen in Konflikt zu geraten. So könnte sich erklären, warum Depressionen häufiger zu werden scheinen.

L. E. O´Connor u.a.: Guilt, fear, submission, and empathy in depression. Journal of Affective Disorders 2002 (71) 19-27