Angst gehört zu
unserer "Grundausstattung" an Gefühlen. Auch andere Lebewesen
sind in der Lage, sie zu empfinden. Zweck von Angst ist es, uns zu
"aktivieren" bzw. "in einen Alarmzustand zu versetzen".
Angst erleichtert es uns, schwierig erscheinende Situationen zu
bewältigen. In diesen fühlen wir uns "unsicher". Wir befürchten, dass
wir die Dinge mangels Kompetenz nicht „kontrollieren“ können. Angst
motiviert uns, solche Situationen zu bewältigen. "Angstfreiheit"
ist keineswegs erstrebenswert. Ohne Angst würden wir "naiv" durch
die Welt gehen und auf "Gefahren" nicht mehr mit der notwendigen
Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft reagieren. Angst verdeutlicht
meist ein Missverhältnis zwischen aktuellen Herausforderungen und den
Fähigkeiten einer Person. Deshalb erleben wir Angst als "Stress"
(Belastung, Herausforderung). So spüren wir, wo wir uns noch
weiterentwickeln können bzw. wo uns noch etwas Wesentliches
"fehlt".
Kein Mensch braucht
sich wegen Angst zu rechtfertigen oder zu schämen!
Dennoch neigen viele
Angstbetroffene dazu. Denn die Umwelt reagiert oft mit Unverständnis,
"klugen Ratschlägen" oder Spötteleien. Angst sucht man sich nicht aus.
Sie ist einfach da und macht etwas mit uns!
Die Veranlagung,
Angst zu empfinden ("Ängstlichkeit") ist von Mensch zu Mensch
verschieden. Ob dies mehr mit "Vererbung" oder mehr mit "Lernen in
der Kindheit" zu tun hat, wird sich selten klären lassen. Oft entdeckt
man, dass nicht nur ein Elternteil ängstlich war, sondern auch schon
ein Großelternteil. Auf welchem Weg Angst bzw. der Umgang mit Angst
von Generation zu Generation weitergegeben wurde, lässt sich nur
schwer herausfinden und ist für die Behandlung auch nicht
entscheidend. Wichtig ist, dass sich die Betroffenen bewusst sind,
dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Ängstlichkeit auch an ihre
Kinder weitergeben werden, sofern sie nicht rechtzeitig mehr
"Kompetenz im Umgang mit Angst" entwickeln.
Ängste haben ihr
eigenes (emotionales) Gedächtnis. Dieses lässt sich allein
durch kluge Worte selten "löschen". Hilfreicher und wirksamer sind
neue (korrigierende) emotionale Erfahrungen („Angstbewältigung“),
die eine "Neuverdrahtung" der Nervenzellen im Gehirn fördern. Leider
neigen viele Angstbetroffene dazu, angstbesetzte Situationen zu
meiden. Kurzfristig verschafft ihnen dies zwar Erleichterung,
langfristig steigt aber die (Erwartungs)Angst. Zugleich verengt sich
das Lebensumfeld kontinuierlich, weil immer mehr vermieden wird. Im
Extremfall verlassen Angst-Kranke nicht mehr ihre Wohnung. Sie bewegen
sich immer weniger und ernähren sich unzureichend oder einseitig. Ihre
Gedanken kreisen fast ständig um das Thema "Angst". Neue bedrohliche
Erfahrungen werden so gedeutet, dass sie in das bestehende
Katastrophenkonzept der Betroffenen passen und die
Schreckensphantasien weiter aufplustern. Das Erlernen günstigerer
Denkstrategien ist deshalb das zweite wichtige Prinzip der
Angsttherapie.
Ängste werden oft
lange Zeit nicht richtig erkannt. Da Ängste immer (!!!) mit
körperlichen Symptomen einhergehen (Herzrasen, Schwindel,
Schweißausbruch, Zittern, Muskelverspannungen usw.), lassen sich viele
Angstbetroffene mitunter (erfolglos) jahrelang "organisch" behandeln.
Selbst wenn der Arzt sie auf die Möglichkeit anspricht, dass ihre
Symptome nur Ausdruck von Angst sein könnten, glauben viele
Betroffene dies nicht. Lieber unterziehen sie sich weiteren
Untersuchungen (wie Langzeit-EKG, Langzeitblutdruckmessung,
Röntgenaufnahmen).
Ungerechtfertigte
Ängste lassen sich umso besser "normalisieren", je rascher man
etwas unternimmt. Was sich jahrelang "eingeschliffen" hat, braucht
entsprechend länger. Glücklicherweise lassen sich Ängste heute sehr
erfolgreich behandeln. Besonders bewährt haben sich eine
Normalisierung der Lebensführung (Essen, Schlafen), Ausdauersport,
Entspannungsmaßnahmen (inklusive Atemregulation), Psychotherapie
(insbesondere die Bearbeitung krankmachender Gedanken) und moderne
Antidepressiva mit angstlösender Komponente.