von Dr. Thomas Grabowy, Pharmacia GmbH (Erlangen)
Depressionen
sprechen bekanntlich auf serotonerg und noradrenerg wirkende
Substanzen besonders gut an. Leider weiß man im Vorhinein selten, auf
welchen der beiden Transmitter ein Patient im Einzelfall bevorzugt
reagieren wird. Neueste elektrophysiologische Untersuchungen zeigen zu
diesem Problem eine interessante Perspektive auf. Ihnen zufolge
fördert der Noradrenalinwiederaufnahmehemmer Reboxetin (in
Deutschland: Edronax®) die Erregbarkeit der Hirnrinde (siehe den
Beitrag auf S.8 in diesem Heft sowie „Reboxetin und Gehirnplastizität“
in ZNS-SPEKTRUM 1/2003, S. 15). Dagegen scheinen serotonerg wirkende
Substanzen eher hemmend zu wirken.
Vor diesem
Hintergrund lässt sich die Hypothese aufstellen, dass depressive
Patienten mit verringerter Erregbarkeit der Hirnrinde aus Substanzen
wie Reboxetin besonderen Nutzen ziehen werden, während Kranke mit
verstärkter Erregbarkeit eher von serotonerg wirkenden Antidepressiva
profitieren dürften.
Die vermehrte
Beschäftigung mit elektrophysiologischen Vorgängen bei der Depression
dürfte sich auch im Hinblick auf antidepressiv wirkende Maßnahmen
lohnen, deren Wirkprinzip bislang eher spekulativ ist bzw. für die ein
umfassendes Konzept noch fehlt. Zu ihnen gehören Sport, Lichttherapie,
Elektrokrampftherapie, transkranielle Magnetstimulation,
Elektroakupunktur und Vagusstimulation. Allen genannten Maßnahmen
lässt sich unterstellen, dass sie die zerebrale Erregbarkeit
verbessern, indem sie günstigere Nervennetzwerke bilden und bahnen.
Der Ansatz,
Depressionen mittels „Modulation der zerebralen Erregbarkeit“ zu
behandeln, eröffnet jedenfalls eine verlockende Sichtweise. Denn
zahlreiche bewährte, letztlich aber sehr unterschiedliche
antidepressive Behandlungsmaßnahmen ließen sich so stimmig in ein
rationales Gesamtkonzept integrieren.