Düsseldorf. Ein erschreckend hoher Anteil der deutschen Bevölkerung
begegnet an Schizophrenie erkrankten Menschen noch immer mit massiven
Vorurteilen und Ängsten. Allein 10 Prozent gehen davon aus, dass
schizophrene Patienten geistig zurückgeblieben sind oder über mangelnde
Intelligenz verfügen. 9 Prozent hätten Angst, sich mit einer solchen
Person zu unterhalten. 23 Prozent wären nicht in der Lage, eine
Freundschaft mit jemandem fortzuführen, der schizophren erkrankt ist, und
43 Prozent würden sich gestört fühlen, wenn sie mit einer solchen Person
das Zimmer teilen müssten. 77 Prozent würden einen unter Schizophrenie
leidenden Menschen nicht heiraten. Diese Daten einer repräsentativen
Telefonbefragung referierte A. E. Baumann (Düsseldorf) im Rahmen der 2.
Schizophreniebörse. Eine wesentliche Aufgabe dieser Veranstaltung war es
daher, nicht nur Betroffene, Angehörige und Professionelle, sondern auch
die breite Öffentlichkeit über das Krankheitsbild sachlich zu informieren.
Schizophrenie wird in vielem unterschätzt
Wie Prof. Dr. Wolfgang Gaebel (Düsseldorf) aufzeigte, erkranken allein in
Deutschland rund 800.000 Menschen einmal in ihrem Leben an Schizophrenie.
Meist handelt es sich um jüngere Personen. Etwa 10 bis 15 Prozent der
Betroffenen nehmen sich innerhalb der ersten zehn Jahre nach
Erkrankungsbeginn das Leben. Schizophrenie gehört zu den zehn Krankheiten,
bei denen besonders viele Lebensjahre durch Behinderung gleichsam verloren
gehen. Bei ca. 20 bis 30 Prozent der Patienten bleibt die Prognose trotz
intensiver Behandlung ungünstig. Es verwundert daher nicht, dass
Schizophrenie die teuerste psychische Erkrankung ist. Die mit ihr
verbundenen direkten und indirekten Kosten ähneln denen somatischer
Volkskrankheiten (Diabetes, Herzerkrankungen).
Verbesserbare Behandlungsbedingungen
Schizophrenie-erfahrene Veranstaltungsteilnehmer und Sprecher der
Angehörigen ließen keinen Zweifel daran, dass sie sich eine möglichst
frühzeitige neuroleptische Behandlung wünschen. Dabei übten sie deutlich
Kritik an der Tendenz, moderne atypische Neuroleptika aus monetären
Gründen nur zurückhaltend einzusetzen, obwohl diese nachweislich
verträglicher wirken. Kritisch äußerten sie sich auch zu der Praxis,
schizophren Erkrankte im akuten Schub auf reizintensiven Stationen mit bis
zu 30 Patienten zusammenzufassen. Dort werden die Kranken meist sich
selbst überlassen, obwohl gerade in der Akutphase das Bedürfnis nach
Ansprache, Begleitung und Trost am größten ist.
Bemühen um Früherkennung
Da Schizophrenien offenbar eine lange Vorlaufzeit haben, erhofft man sich
durch geeignete Interventionen im psychosefernen, spätestens aber im
psychosenahen Prodromalstadium die Manifestation des Leidens abwenden zu
können. Über den Stand der entsprechenden Bemühungen berichtete Prof. Dr.
Joachim Klosterkötter (Köln). Zu den Schwerpunkten der derzeit getesteten
Früherkennungsmaßnahmen gehört ein „Awareness-Programm“. Es wendet sich an
Adressaten, die erfahrungsgemäß häufiger mit Risikogruppen in Kontakt
kommen bzw. diese betreuen. Von diesen primären Anlaufstellen (z.B.
Erziehungs- oder Studentenberatungsstellen) sollen Risikoträger möglichst
an Früherkennungszentren weitergeleitet werden. Letztere können eine
intensivere Diagnostik betreiben und individuell angepasste
Frühinterventionen anbieten. Dabei reicht das Interventionsspektrum von
psychologischen Maßnahmen bis zur Anwendung moderner, nebenwirkungsarmer
antipsychotischer Medikamente.
Genetische Ursachen teilentschlüsselt
Über neueste Erkenntnisse zu den Entstehungsursachen der Schizophrenie
berichtete Prof. Dr. Peter Falkai (Homburg). Nach mehr als zehnjährigen
vergeblichen Bemühungen erfolgte in den letzten drei Monaten ein
entscheidender Durchbruch. Unter maßgeblicher Mitwirkung deutscher
Arbeitsgruppen gelang es, mehrere Regionen auf dem menschlichen Genom zu
identifizieren, in denen Dispositionsgene für Schizophrenie liegen. Drei
von ihnen stehen bereits genau fest. Damit ist sicher, dass Schizophrenie
polygenetisch bedingt ist. Überraschenderweise haben die bislang bekannten
Dispositionsgene recht wenig mit jenen Wirkmechanismen zu tun, an denen
die zur Behandlung der Schizophrenie angewandten Neuroleptika ansetzen.
Nach Vorträgen,
Postern und einer begleitenden Pressekonferenz auf der 2.
Informationsbörse Schizophrenie am 22. Oktober 2003 in Düsseldorf |