Großbritannien. Bereits mehrere Studien illustrieren, wie das Verhalten
depressiver Mütter auf ihre Kinder abfärbt. Einen weiteren Mosaikstein
dieser komplexen Situation liefert eine Studie von N. Reissland und
Mitarbeitern. Mit Hilfe zweier Kameras beobachtete das Wissenschaftlerteam
32 depressive und 32 depressionsfreie Mütter, während diese ihren Babys
aus Bilderbüchern vorlasen.
Die Analyse zeigte, dass sich seelisch gesunde Mütter gegenüber älteren
Babys (10 Monate) umfangreicher äußerten als gegenüber jüngeren Babys (6
Monate). Dagegen machten depressive Mütter keine derartige Unterscheidung.
Sie berücksichtigten also weniger altersbedingte Unterschiede ihrer
Kinder. Depressive Mütter wählten zudem eine höhere Tonlage, wenn sie das
Vorlesen unterbrachen und ihre Kinder direkt ansprachen (325 gegenüber 282
Hz). Die Autoren verweisen auf andere Studien, in denen depressive Mütter
unter leichtem Stress ebenfalls ihre Stimme anhoben. Sie vermuten, dass
ein Wechsel der Tonlage während des Vorlesens das Kind erregt und wohl
kaum dazu beiträgt, die Situation für den Nachwuchs angenehm zu gestalten.
Nach Ansicht der Autoren fördert die Art des Vorlesens nicht nur die
sprachlichen Fähigkeiten der Babys, sie wirkt sich auch auf deren soziale
Kompetenzen aus. Wenn Kleinkinder erleben, wie wenig ihre Mütter in der
Lage sind, ihr Verhalten auf die aktuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten
ihrer Kinder abzustimmen, kann dies negative Folgen für die Kleinen haben:
Statt weiter mit der Umwelt zu interagieren, ziehen sich diese unter
Umständen immer mehr zurück, um der Eigenregulation dienende
selbstbezogene Verhaltensweisen zu entwickeln. Letztere können dann im
weiteren Leben zu zusätzlichen Problemen führen.
N.
Reissland u.a.: The pitch of maternal voice: a comparison of mothers
suffering from depressed mood and non-depressed mothers reading books to
their infants. Journal of Child Psychology and Psychiatry 2003 (44)
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