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Helfen Hunde epilepsiekranken Kindern?

Kanada. Hunde sind offenbar keine Gefahrenquelle für Kinder mit epileptischen Leiden. Eher das Gegenteil ist der Fall: Jeder sechste Hund in Familien mit epilepsiekranken Kindern scheint in der Lage zu sein, einen bevorstehenden Anfall zu spüren und dies durch außergewöhnliches Verhalten mitzuteilen. 40 Prozent aller Hunde registrieren den Ablauf eines Anfalls und reagieren darauf in besonderer Weise. Diese Fähigkeiten wirken sich möglicherweise nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Patienten, sondern auch auf deren ganze Familie günstig aus. Familien mit Hund berichten nämlich über eine höhere Lebensqualität als solche ohne Hund.

    Zu diesen Erkenntnissen gelangen A. Kirton und Mitarbeiter aufgrund einer Befragung, an der sich 122 Familien mit einem epilepsiekranken Kind beteiligt hatten. Immerhin 39 Prozent der kleinen Patienten hatte mindestens ein Jahr mit einem Hund zusammen gelebt. In dieser Untergruppe berichteten 20 Familien (mit insgesamt 22 Hunden), dass ihr Hund auf die kindlichen Anfälle in ganz spezifischer Weise reagierte, wobei es sich überwiegend um größere Hunde handelte. Die häufigsten Verhaltensweisen waren Ablecken (59 Prozent, oft auch des Gesichtes), verringerte motorische Aktivität (55 Prozent), „schützendes“ nichtaggressives Verhalten (50 Prozent) und Winseln (36 Prozent). Jeder fünfte auf Anfälle reagierende Hund war zudem imstande, einen bevorstehenden Anfall anzukündigen. Meist handelte es sich um größere Tiere weiblichen Geschlechts. Die Vorhersagezeit betrug durchschnittlich 2,5 Minuten und variierte zwischen 10 Sekunden und 5 Stunden. Die Ankündigung war durchweg verlässlich.

    Nach Ansicht der meisten Besitzer verfügten die Tiere von Anfang an über die besondere Fähigkeit, die sich bei den Kindern anbahnenden Anfälle zu spüren und mitzuteilen. Sehr oft hatte das Verhalten der Hunde schützenden Charakter. So stupste ein Tier ein Kind kurz vor einem Anfall von einer Treppe weg und ein anderes setzte sich auf ein Kind, so dass dieses nicht aufstehen und stürzen konnte. Andere Hunde warnten ihre Familien 20 Minuten vor Einsetzen nächtlicher Anfälle, platzierten sich vor Sturzattacken eng neben das betroffene Kind oder verhinderten, dass dieses im Rahmen eines partiellen Anfalls umherwanderte.

    Interessanterweise scheinen Hunde bei epilepsiekranken Erwachsenen ebenfalls, prozentual gesehen aber seltener auf Anfälle zu reagieren. Unklar ist, ob dies auf Unterschieden im Anfallstyp, der menschlichen Körpergröße oder einer Tendenz von Hunden beruht, Kinder vergleichsweise stärker zu beobachten. Zumindest dürfte sicher sein, dass manche Hunde in der Lage sind, auf menschliche Anfälle sehr spezifisch zu reagieren. Dabei eignen sich offenbar einige Verhaltensweisen dazu, Anfälle zu verhindern oder zu verkürzen. Zu ihnen gehört das Ablecken, welches möglicherweise mittels sensorischer Stimulation der Haut die Hirnaktivität des Patienten beeinflusst. Weitere Studien werden hoffentlich zeigen, worauf der besondere Spürsinn der Hunde beruht und ob er sich gezielt trainieren lässt. Unter Umständen sind manche Hunde sogar in der Lage, Aktivitäten des menschlichen Gehirns zu registrieren.

A. Kirton u. a.: Seizure-alerting and –response behaviors in dogs living with epileptic children. Neurology 2004 (62) 2303-2305