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Epilepsie und männliche Sexualität

Deutschland. Epilepsie-Patienten leiden nicht nur unter ihren Anfällen. Auch sexuelle Probleme begleiten ihre Erkrankung. Dabei handelt es sich um mehr als rein seelische Phänomene. Wie J. Bauer und Mitarbeiter erläutern, beeinflussen Epilepsien insbesondere auch während der anfallsfreien Zeit deutlich den Hormonhaushalt. In dieser Phase ist die EEG-Aktivität nämlich ebenfalls und zwar fast permanent verändert. Gleichzeitig findet sich bei Männern eine signifikante Erhöhung des Serum-Prolaktins, wie Befunde bei 12 Patienten mit komplex-partiellen Anfällen andeuten.

    Außerdem scheinen sich Epilepsien unmittelbar auf die Hormonproduktion im Hoden auszuwirken. Dies ergab eine Studie an 20 Männern mit einer unbehandelten Temporallappenepilepsie. Bei ihnen fand sich im Vergleich zu Gesunden eine signifikant niedrigere Serumkonzentration von freiem Testosteron und ein signifikant kleinerer Quotient aus freiem Testosteron und luteinisierendem Hormon (LH). Der zuletzt genannte Befund lässt darauf rückschließen, dass die Hypophyse vermehrt LH freisetzt, um den Mangel an freiem Testosteron zu kompensieren. Erfreulicherweise scheint die Temporallappenepilepsie die Konzentration an freiem Testosteron noch nicht in einen Bereich zu senken, der für die Zeugungsfähigkeit kritisch werden könnte. Inwieweit nur leicht reduzierte Testosteron-Mengen schon klinisch relevant sind, ist noch offen. Wie Bauer und Kollegen verdeutlichen, normalisieren sich die beschriebenen Laborwerte nicht allein schon durch eine antiepileptische Medikation. Deren Effekte erstrecken sich vor allem auf Anfälle und weniger auf interiktale EEG-Veränderungen. Im Gegenteil: Indem einige Antiepileptika den Leberstoffwechsel durch Enzyminduktion anregen, können sie den Anteil freier Androgene sogar noch weiter senken. Um erniedrigte Testosteronkonzentrationen bei Männern mit Temporallappenepilepsie wieder ansteigen zu lassen, bedarf es offenbar anderer Maßnahmen, wie etwa eines chirurgischen Eingriffes.

   Bauer und Mitarbeiter betonen, dass niedrige Serumtestosteron-Konzentrationen nicht zwangsläufig mit Impotenz einhergehen. Unabhängig davon ist es ein Faktum, dass männliche Epilepsie-Patienten vermehrt über Potenzstörungen und ein gebremstes Sexualleben klagen. So berichteten in einer Befragung von Männern 98 Prozent der Gesunden, aber nur 56 Prozent der Epilepsie-Kranken darüber, in ihrem Leben bereits Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben. Ähnlich deutlich unterscheiden sich die Angaben zu Potenzstörungen (Gesunde: 18 Prozent, Erkrankte: 57 Prozent) und Störungen der morgendlichen Spontanerektion (Gesunde: keiner, Erkrankte: 18 Prozent).

   Angesichts der hier nur skizzierten Aspekte des Sexuallebens männlicher Epilepsie-Patienten plädieren Bauer und Kollegen dafür, Epileptologie nicht nur als Iktologie zu betreiben, sondern auch endokrinologische Aspekte zu berücksichtigen. Entsprechendes Interesse verdienen epilepsiekranke Frauen, bei denen die endokrinologische Situation eher noch komplexer ist.

J. Bauer u. a.: Einflüsse der Epilepsieerkrankung auf reproduktive endokrine Funktionen beim Männern. Akt. Neurol. 2004 (31) 55-59