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Selbstwertgefühl verbessern (1)


Depressive fühlen sich häufig als im Leben „Zu-kurz-Gekommene“. Sie halten dieses Gefühl des „zu wenig“ auf unterschiedliche Weise am Leben (z.B. in Form des „Nichts wert sein“, „ein Niemand sein“, „Nichts können“). Sie erleben sich als Menschen, die dauernd um etwas kämpfen müssen, die immer nur Problemen begegnen oder dauernd unter Mangel leiden, die sich nichts nehmen dürfen und denen auch nichts gegeben wird. Deshalb leiden depressive Menschen meist auch unter einem geringen Selbstwertgefühl („Minderwertigkeit“). Um ihr Selbstwertgefühl zu stützen, bemühen sie sich um Anerkennung, die sich auf die eigene Leistungsfähigkeit bezieht („Ich bin, was ich leiste“). Wenn ihre Leistungsfähigkeit dann einmal nachlässt, fühlen sie sich sofort bedroht. Dabei neigen Depressive dazu, sich und ihre Leistungen ständig abzuwerten. Gleichzeitig warten sie hungrig auf Bestätigung durch andere, von deren Meinung sie sich abhängig machen. Trifft die (angeforderte) Bestätigung ein, können sie ihr jedoch nicht trauen, weil ihnen bewusst ist, dass sie ja selbst das Kompliment bestellt haben. Die folgenden Anregungen zeigen Wege aus dem Dilemma auf.

Selbstwertprobleme (an-)erkennen

Stehen Sie dazu, dass Sie ein „Selbstwertproblem“ haben. Führen Sie sich mögliche Auslöser vor Augen (z. B. abwertendes, vernachlässigendes oder desinteressiertes Verhalten wichtiger Bezugspersonen in Ihrer Kindheit, schlechte Zeugnisse, mangelndes Selbstwertgefühl der Eltern und anderer Vorbilder, Missachtung der Familie).

Den „inneren Kritiker“ stoppen

Üben Sie konsequent, innerlich laut „Stopp!“ zu sagen, wann immer die im Eingangstext beschriebenen Zweifel und selbstabwertenden Gedanken in Ihnen laut werden („Du blöde Kuh...“, „Du kannst auch gar nichts...“, Du solltest lieber...“). „Befehlen“ Sie sich regelrecht, stattdessen innerlich die Liste Ihrer persönlichen Fähigkeiten, Ihrer „Reichtümer“ (das können auch ideelle sein!) und Erfolge durchzugehen. Notieren Sie zu diesem Zweck entsprechende Stichworte auf einem Blatt Papier. Hängen Sie diese Erinnerungszettel gut sichtbar in der Wohnung auf, damit Sie die Sammlung im Lauf mehrerer Wochen ständig ergänzen können.

Positive Seiten kennen lernen

Nehmen Sie ein weiteres Blatt Papier. Stellen Sie sich vor, Sie seien eine Person, die Ihnen wohl gesonnen ist und der daher vor allem Ihre positiven, wenn nicht sogar liebenswerten Eigenschaften auffallen. Was könnte das sein? Notieren Sie alle Beobachtungen und Einfälle auf Ihrem Merkzettel. Hier sind ein paar Charakteristika depressiv veranlagter Menschen, die sehr oft geschätzt werden: Viele Depressive sind beharrlich und zuverlässig. Sie verhalten sich leistungsbezogen und orientieren sich an sozialen Idealen. Sie wirken bescheiden, da sie selten offen aggressiv fordern. Nicht wenige sind sehr sensibel, warmherzig und zu tiefem Erleben fähig. Als Partner sind sie anhänglich und an Nähe interessiert. Sie überstürzen nichts, sondern überlegen vieles aus Vorsicht lieber mehrfach und detailliert. Sie sind sehr selbstkritisch und stehen zu eigener „Schuld“. Sie sind die klassischen Helfer, die nicht zögern, für andere Verantwortung zu übernehmen und sich notfalls aufzuopfern.

Sich selbst annehmen und ermutigen

Akzeptieren Sie auch diejenigen Seiten Ihrer Person, die „Schwächen“ darstellen. Nehmen Sie sich so an, wie Sie nun einmal geworden sind. Kein Mensch ist perfekt und für alles verantwortlich! Gerade die unterschiedliche Mischung aus Stärken und Schwächen verleiht jedem von uns ein individuelles „Profil“ und macht uns so einzigartig. Stehen Sie auch anderen gegenüber zu Ihren Schwächen – gerade dies gilt oft als Zeichen von Stärke! Vertuschen Sie nicht krampfhaft Ihre Nervosität, sondern wagen Sie es, mit Freunden und Kollegen offen darüber zu reden. Verzeihen Sie sich selbst mögliche Fehler und schließen Sie mit sich und ihren Schwächen inneren Frieden. Sagen Sie sich vor allem in Situationen der Selbstunsicherheit immer wieder „So wie ich bin, bin ich in Ordnung“ und „Auch das werde ich schaffen.“

Zu sich selbst stehen und sich „echt“ fühlen

Üben Sie, auch dann Ihre Meinung zu äußern, wenn Ihnen dadurch Nachteile drohen. Stehen Sie durch Ihre eigene Person für die Werte ein, die Sie aus Überzeugung vertreten (die also Ihnen nicht nur eingetrichtert oder diktiert wurden). Verhalten Sie sich so, wie Sie tatsächlich empfinden („authentisch“). Wagen Sie es, echt zu sein, statt eine Rolle zu spielen oder für andere die Marionette abzugeben. Lassen Sie sich wahrnehmen als der, der Sie sind, statt zu taktieren. Seien Sie stolz darauf, einen „eigenen Sinn“ zu haben – auch dann, wenn man Ihnen dies als „Eigensinn“ vorwirft. Bleiben Sie eine erkennbare Persönlichkeit und lösen Sie sich nicht in der anonymen Menge auf. Orientieren Sie sich an „selbstbewussten“ Vorbildern.

Klar und selbstbewusst auftreten

Warten Sie nicht auf ein gutes Selbstwertgefühl, um anschließend selbstsicherer auftreten zu können. Gehen Sie umgekehrt vor: Üben Sie sich darin, selbstsicher aufzutreten, und staunen Sie darüber, wie dadurch Ihr Selbstwertgefühl wächst. Benutzen Sie beispielsweise das Wort „ich“ statt „man“ oder „wir“. Verzichten Sie auf indirekte Redewendungen. Sagen Sie präzise, was Sie wollen („Ich möchte,..“ „Ich wünsche...“). Drücken Sie sich kraftvoll, anschaulich (also bildhaft) und schlagfertig aus. Ersparen Sie es anderen, Ihre Meinung und Ihre Bedürfnisse erraten zu müssen. Verzichten Sie auf Unterwürfigkeit und Rechtfertigungsreden. Widerstehen Sie dem „Folgsamkeitsreflex“. Verfallen Sie nicht der Scheinsicherheit und fraglichen Geborgenheit, die sich durch eine Selbst-Aufgabe bzw. übermäßige Anpassung scheinbar erkaufen lassen. Sehen Sie Ihrem Gegenüber direkt in die Augen und lächeln Sie. Unterstreichen Sie Ihr Anliegen mit passenden Gesten, Haltung, Gesichtsausdruck und Lautstärke. Vergewissern Sie sich immer wieder vor dem Spiegel, dass Sie aufrecht stehen, insbesondere nicht Kopf und Schultern hängen lassen. Üben Sie mit Hilfe eines Tonaufzeichnungsgerätes, laut, ruhig, klar und einer eher tieferen (also nicht schrillen) Stimme zu sprechen. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl, sind dazu oft nicht in der Lage. Sprechen Sie in Unterhaltungen stolz an, was Sie gut können (das ist keine „Prahlerei“, sondern eine sinnvolle Alternative zum „Jammern“). Gehen Sie aufrecht, selbstbewusst und mit Blickkontakt auf eine fremde Person zu, um auszuprobieren, ob diese Ihnen ausweicht.

Sich in den Mittelpunkt stellen

Treten Sie aus Ihrem Schattendasein. Üben Sie ab und zu, sich konsequent zu zeigen bzw. regelrecht aufzufallen. Lassen Sie beispielsweise im Restaurant laut ein Besteckteil auf den Boden fallen. Probieren Sie in Geschäften mehrere Kleider aus, ohne diese zu kaufen. Rufen Sie in der Öffentlichkeit einem entfernt stehenden Bekannten laut etwas zu. Tragen Sie Kleidungsstücke, die Aufsehen erregen. Bitten Sie an Warteschlangen vor Kassen, Sie vorzulassen. Üben Sie vor anderen Menschen Dinge, die Sie noch nicht so gut können. Pfeifen oder singen Sie auf der Straße laut vor sich hin. Üben Sie, anderen Ihr Befinden und Ihre Gedanken mitzuteilen.

Selbstbild laufend überprüfen und verbessern

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, andere Menschen um positive Rückmeldungen (Beobachtungen) zu Ihrer Person bitten („Was gefällt dir an mir?“ „Was kann ich aus deiner Sicht besonders gut?“). Bedanken Sie sich freundlich für Komplimente und verkneifen Sie sich weitere (oft nur abwertende) Kommentare. Befreien Sie sich von dem auf Scham beruhenden Denkautomatismus „Was werden die anderen wohl denken bzw. von mir erwarten?“ Kümmern Sie sich weniger um die anderen und mehr um sich selbst. Beziehen Sie nicht alles Mögliche auf sich. Unterscheiden Sie zwischen Ihrem Wert als Mensch und dem Wert Ihrer Leistungen. Selbst wenn ein anderer etwas von Ihnen denkt (was seltener sein wird, als Sie vermuten!), ist und bleibt es die bloße Meinung eines anderen. Eine solche Meinung verändert noch lange nicht Ihre Persönlichkeit! Entscheiden Sie selbst, ob Sie diese Meinung teilen wollen. Außerdem: Wenn Sie sich dauernd fragen, was die anderen denken, nehmen Sie sich zumindest in diesem Punkt zu wichtig! Überhaupt beschäftigen sich Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen meist mehr mit sich selbst als Personen ohne dieses Problem. Trotz der intensiveren Selbstbeschäftigung nehmen sie sich selbst verzerrt oder teilweise auch gar nicht wahr. Denn es fällt ihnen schwer, unvoreingenommen in sich hinein zu spüren.

(wird fortgesetzt)