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Sexualmedizinische Tipps
für Parkinson-Patienten
 

Die Parkinson-Krankheit beeinträchtigt häufig auch das Sexualleben. Die meisten Betroffenen wünschen sich dennoch weiterhin eine erfüllte Sexualität. Die folgenden Empfehlungen beschreiben Wege zu diesem Ziel.

Sexualstörungen nicht zu „persönlich“ nehmen

Sie sind nicht allein! In einer unlängst erfolgten Befragung von Mitgliedern der Deutschen Parkinson Vereinigung gaben immerhin 57 Prozent der männlichen Teilnehmer an, unter sexuellen Problemen zu leiden. Männer schienen nicht zuletzt deswegen besonders betroffen zu sein, weil sie seltener alleine lebten (6 Prozent) als Frauen (36 Prozent). Allein schon dadurch sind Parkinson-kranke Männer vermutlich häufiger mit Situationen konfrontiert, in denen es zu sexuellen Schwierigkeiten kommen kann. Machen Sie sich also bewusst, dass sexuelle Probleme oft weniger mit ihrer Person als mit Ihrer Grunderkrankung oder ihrer Lebenssituation zu tun haben. Sie haben also nichts mit „Versagen“ oder „Schuld“ zu tun.

„Gefahren“ für die Paarbeziehung kennen

Bedenken Sie, dass die motorischen Probleme der Parkinson-Krankheit (Rigor, Tremor, Immobilität im Bett) das Sexualleben erheblich beeinträchtigen können. Wenn die Medikamentenwirkung nachlässt, fällt es deutlich schwerer, sich oder den Partner zärtlich und einfühlsam zu berühren und so Lust und sexuelle Erregung auszulösen. Auch ein in Folge der Krankheit verändertes Aussehen, verstärktes Schwitzen, vermehrter Speichelfluss, Gehstörungen und unkontrollierte Bewegungen (Hyperkinesen) können Ihre Attraktivität in den Augen des Partners oder der Partnerin verringern (Gefahr von Ekelgefühlen!). Das typische „Maskengesicht“ vieler Parkinson-Kranker und Antriebsprobleme täuschen dem Gegenüber leicht mangelndes Gefühl und fehlende Lust vor. Manche Partner beziehen getrennte Schlafzimmer, damit nicht beide Personen unter den Schlafstörungen des Parkinson-Kranken leiden. Dies verringert dann die Wahrscheinlichkeit intimer Begegnungen! Außerdem können das bei den Parkinson-Kranken oft vorgerückte Alter, weitere Erkrankungen (wie orthopädische oder Herz-Kreislauf-Leiden, Depressionen, Ängste) sowie die Nebenwirkungen der Parkinson-Medikamente das Sexualleben erschweren. Nicht zuletzt lässt ein falsch verstandenes Bemühen um „Schonung“ ein bisher befriedigendes Sexualleben unnötig einschlafen.

Offen kommunizieren

In der Sexualwissenschaft geht man davon aus, „dass der Kopf das wichtigste Sexualorgan ist“. Diese Formulierung gilt besonders für Erwartungen an das eigene sexuelle Leistungsvermögen und für Phantasien über die Erwartungen der jeweiligen Partner. Da diese Erwartungen oft unrealistisch oder unbegründet sind, stellen sie viele Menschen unter unnötigen Leistungsdruck und erzeugen überflüssige Versagensängste. Beides führt zu Stress, der sich mit einem genussvollen Sexualleben nicht verträgt. Offene Kommunikation mit dem Partner eröffnet den besten Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma. Üben Sie also, Ihre sexuellen Vorstellungen, Wünsche und Sorgen dem Partner mitzuteilen bzw. die entsprechenden Themen auch bei Ihrem Partner zu erfragen. Im offenen Gespräch lassen sich oft Wege finden, die allen Beteiligten ein befriedigendes Sexualleben ermöglichen.

Vorurteilen begegnen und ärztlichen Rat einholen

Manche Parkinson-Kranke befürchten, dass sexuelle Aktivität ihr Grundleiden verschlechtern könnte. Dies stimmt ebenso wenig wie die Annahme, dass Sexualität im Alter unnormal ist. Das Gegenteil trifft in beiden Fällen zu. Gerade ein erfülltes Sexualleben kann wesentlich dazu beitragen, eine chronische Erkrankung wie den Morbus Parkinson besser zu bewältigen. Scheuen Sie sich nicht, Ihren Arzt zu solchen und anderen Fragen des Sexuallebens zu konsultieren. Erörtern Sie mit ihm auch eventuelle Veränderungen Ihres sexuellen Verlangens. Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, in denen es als „unanständig“ oder „verboten“ galt, über sexuelle Themen zu sprechen. Ziehen Sie zu solchen Gesprächen auch Ihre Partnerin oder Ihren Partner hinzu. Verhindern Sie unbedingt, dass sich in Ihrem Sexualleben ungünstige Verhaltensmuster verfestigen!

Krankheitsfolgen kompensieren

-          Angenehme „Rahmenbedingungen“ wie romantische Umgebung, Musik, Kerzenschein, gegenseitiges Verwöhnen und Raumdüfte entspannen Gesunde wie Kranke gleichermaßen. Verzichten Sie nicht aus Bequemlichkeit auf solche Elemente!

-          Wenn vor allem der an Parkinson erkrankte Teil eines Paares bislang sexuelle Aktivitäten initiiert hat, kann es sinnvoll sein, eine solche Rollenverteilung zu ändern. Anderenfalls droht die Gefahr, dass es immer seltener zu sexuellen Kontakten kommt oder das Sexualleben völlig erlahmt.

-          Wenn im Tagesverlauf deutliche und medikamentös nicht kontrollierbare Schwankungen der Beweglichkeit und Befindlichkeit auftreten, macht es Sinn, sexuelle Aktivitäten zu planen und sie gezielt in „On-Zeiten“ zu legen, in denen eine gute Beweglichkeit weitgehend sicher ist.

-          Für Parkinson-Patienten gilt besonders, dass es wichtig ist, sich beim sexuellen Kontakt immer genügend Zeit zu lassen.

-          Irritierende Botschaften eines mimisch starren Gesichts lassen sich teilweise präzisieren, indem man dem Partner vermehrt verbal mitteilt, was man gerade fühlt, denkt und erlebt.

-          Tauschen Sie auch im Alltag Zärtlichkeiten aus! Diese und andere Formen der Kommunikation nehmen nach Beginn der Parkinson-Krankheit leider oft ab.

-          Scheuen Sie sich nicht, in Absprache mit Ihrem Arzt bei Bedarf auch Hilfsmittel einzusetzen (wie Gleitcreme, erektionsfördernde Medikamente, Vakuumpumpe usw.).

Effekt der Parkinson-Medikamente berücksichtigen

Manche Antiparkinson-Medikamente (L-Dopa, Dopaminagonisten) steigern das sexuelle Verlangen („Libido“). Das kann sich in vermehrten sexuellen Phantasien, sexuellen Träumen und häufigerer Selbstbefriedigung äußern und bei vielen Betroffenen unnötige Scham auslösen (besonders wenn das sexuelle Verlangen zuvor eher gering war). Unglücklicherweise geht das gesteigerte sexuelle Verlangen nicht zwangsläufig mit einer Verbesserung sexueller Fähigkeiten einher. Kommt es bei sexuellen Kontakten wiederholt zu einem „Versagen“, können Scham, erhebliche Selbstzweifel und eine Depression die Folge sein. In solchen Fällen sollten Sie die Problematik unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen, damit er gegebenenfalls die Medikation ändert. Letzteres kann beispielsweise auch dann erforderlich werden, wenn die Anwendung so genannter Anticholinergika mit Erektionsstörungen oder Trockenheit der Scheide einhergeht.

Phantasie entwickeln

Wie die voranstehenden Empfehlungen zeigen, erfordert das Thema „Sexualität bei Parkinson“ Umdenken und Neuorientierung. Nicht nur für Parkinson-Kranke gilt, dass Sexualität keinem starren und lebenslang gültigen Schema unterliegt. Glücklicherweise gibt es sehr vielfältige Formen, sexuelle Lust alleine oder mit einem Partner zu erleben. Dabei gewinnen im Alter oder bei Krankheit oft andere Erlebnisweisen an Gewicht (körperliche Nähe, Zärtlichkeit) als in der Jugend oder im mittleren Erwachsenenalter. Zögern Sie also nicht, neue Wege zu beschreiten.